Erinnerung statt Hass

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Sueddeutsche Zeitung (R8 PMZ STADTVIERTEL)

Montag, 24. März 2014, Nr. 69 DEFG

 Erinnerung statt Hass

In der Universität wirbt Robert Hébras, Überlebender eines der schlimmsten Massaker der Waffen-SS, für Aussöhnung

 

Robert HébrasVon Elisa Holz

München – An der Wand des Hörsaals B101 der Ludwig-Maximilians-Universität erscheint eine Skizze. Ein grüner Fleck und ein grauer Fleck, getrennt von zwei Linien, die eine Straße darstellen. Der grüne Fleck steht für Oradour-sur-Glane, ein kleiner Ort in der Nähe von Limoges, mitten in Frankreich, erbaut in den Jahren von 1947 an. Der graue Fleck steht ebenfalls für Oradour-sur-Glane beziehungsweise das, was von dem alten Dorf übrig geblieben ist, nachdem die Waffen-SS am 10. Juni 1944 dort eingefallen ist, die Bewohner massakriert und den Ort niedergebrannt hat. 642 Menschen, darunter 254 Frauen und 207 Kinder, starben an diesem Tag einen grauenvollen Tod. Oradour steht für eines der schlimmsten Massaker der Waffen-SS in Westeuropa.

Robert Hébras ist einer von insgesamt sechs Menschen, die dem Inferno entkommen konnten. Er war 19 Jahre alt, als seine Welt in Flammen aufging. Heute ist er 89 Jahre alt. Ein kleiner und sehr wacher Mann, der an der unvorstellbaren Gräueltat der Nazis nicht zerbrochen, sondern gewachsen ist. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an die Opfer von Oradour lebendig zu erhalten. „Es ist kein von Hass geprägtes Gedenken, sondern eine historische Erinnerung“, sagt Hébras. Er will nicht anklagen. Robert Hébras sucht die Versöhnung. Deshalb hat er auch die Reise nach München auf sich genommen, um an diesem Abend den vielen Menschen, die den großen Hörsaal bis auf den letzten Platz füllen, Zeugnis zu geben und ihre Fragen zu beantworten.

Michael Faugeroux, Lehrer am französischen Gymnasium in München und Thomas Rock, Beauftragter gegen Rechtsextremismus im Bezirksausschuss Schwabing- West, haben Hébras mit breiter Unterstützung nach München eingeladen. Faugeroux kennt Robert Hébras schon länger. 2011 hat er den Überlebenden interviewt und das Gespräch als Film festgehalten. „Recht auf Erinnerung“ heißt die Dokumentation, die zu Beginn der Veranstaltung gezeigt wird. Zu sehen ist ein Mensch, der sich sehr genau an jenen Samstag vor 70 Jahren erinnert. Wie das SS-Panzergrenadier- Regiment „Der Führer“ mit Kettenfahrzeugen in das Dorf einfährt. Die Arglosigkeit der Bewohner. Der Bäcker, der sich sorgt, dass die Kuchen im Ofen nicht anbrennen. Bis zum Schluss ahnte niemand, was droht. Die Frauen und Kinder werden in die Dorfkirche gebracht, der Kirchturm gesprengt, Handgranaten in die Menge geworfen und das Gebäude in Brand gesteckt. Die Männer auf vier Scheunen aufgeteilt, erschossen, angezündet. Hébras überlebt unter seinen sterbenden Nachbarn und Bekannten liegend.

Was der Grund für das Massaker war, will einer aus dem Auditorium wissen. Womöglich eine Folge der Auseinandersetzungen der NS-Besatzung mit der Résistance. „Das Dorf wurde ohne Grund zerstört“, sagt Hébras. Der Bataillonskommandeur Adolf Diekmann, der den Befehl für das Massaker gegeben hatte, fiel wenig später in der Normandie. In der Bundesrepublik wurde niemand zur Verantwortung gezogen, die Beschuldigten wurden nicht nach Frankreich überstellt. Heinz Lammerding,

 

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